Kind 1 und ich sind auf dem Weg zum Schwimmbad. Stille. Wir beide spüren die Vorfreude und gleichzeitig finden wir keine Worte dafür. Kind 1 ergreift die Initiative.
Kind 1: „Komm Papa, wir unterhalten uns.“
Ich: „Klar, erzähle doch mal was. Auf was freust du dich?“
Kind 1: „Erzähle du mir lieber was.“
Ich: „Ich schreibe Geschichten über dich ins Internet.“
Kind 1: „Und was schreibst du da genau?“
Ich: „Alles, was mir so in den Sinn kommt. Meist von gemeinsamen, schönen Momenten. Zum Beispiel habe ich etwas geschrieben, als wir dein Faschingskostüm gebastelt haben.“
Kind 1: „Machst du dann auch Fotos in das Internet?“
Ich: „Da habe ich das gemacht, ja. Das Foto, auf dem ihr die Helme getragen habt. Wie fändest du es, wenn ich Fotos von dir ins Internet stellen würde, auf denen man dich zum Beispiel beim Spielen sieht?“
Kind 1: „Hm. Ich fände das nicht so gut. Stell dir mal vor es wäre jetzt ein Bild von mir im Internet mit der Frisur, die mir eine Zeit lang gut gefallen hat. Jetzt gefällt mir aber eine andere viel besser. Dann könnte jetzt jeder Fotos von mir mit einer Frisur sehen, die mir gar nicht mehr gefällt. Das wäre blöd.“
Fair bleiben und sich in Geduld üben
Nach der Unterhaltung war ich erstaunt. Kind 1 lieferte mir ein erfrischendes Beispiel, warum ich Fotos von Kindern im Internet kritisch finde. Die Post-Privacy Apostel schwingen das immer gleiche Argument, dass es in wenigen Jahren sowieso keine Privatsphäre mehr geben wird. Ganz so einfach ist das aber nicht. Ich denke an meine Jugend in den Achtzigern zurück und wäre nicht wirklich erfreut, wenn ich heute Fotos von damals im Internet wiedersehen müsste. Fotos mit weitem Strickpullover und Socken über die Jeans gezogen und so. Jede Zeit hat ihre entsprechenden Verbrechen und nicht alles muss dokumentiert werden.
Ich weiss, dass Kind 1 und 2 im entsprechenden Alter ihre eigenen Entscheidungen treffen werden, ohne dass ich ihnen die Entscheidung bereits vorher abgenommen habe. In Zeiten, in denen Babys 5 Minuten nach der Geburt bereits auf Facebook zu bewundern sind, wäre ich nur ungern das Baby. Bei allem Verständnis für den Elternstolz werde ich die Entscheidung, wie öffentlich sie ihr Leben führen möchten, meinen Kindern überlassen. Natürlich nur, wenn wir bis dahin noch nicht alle von Google Glasses oder anderen „fortschrittlichen“ Geräten gescannt und erfasst wurden. Aber das liegt dann nicht in meinen Händen.
Niemand hält den Fortschritt auf
In sehr vielen Diskussionen zum Thema Privatsphäre gibt es leider nur ein dafür oder dagegen. Das finde ich sehr schade. Niemals würde ich jemandem zu Nahe treten, der gerne Fotos der eigenen Kinder im Internet veröffentlicht. Erwachsene Menschen treffen eigene Entscheidungen. Dennoch möchte ich mit einem kleinen Zitat von Stanislaw Jerzy Lec enden:
„Wenn ‚Es lebe der Fortschritt!’ geschrien wird, frage stets für wen.“
P.S. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: es geht nicht um Verbote. Nein, es geht darum ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Wie haltet ihr das? Fotos der eigenen Kinder im Netz, ja oder nein?