Getaggt mit: Kinder

Standardisierte Kinder und Angst machende Ratgeber

Als Kind 1 auf die Welt kam, habe ich einen Newsletter abonniert. Ihr wisst schon, dieses vom Aussterben bedrohte digitale Besserwisser-Format. Immer wenn Kind 1 ein bestimmtes Alter erreicht hatte, kam das Digitalmonster in die Inbox und fraß sich durch meine Gehirnzellen. Mehrheitlich stand in diesem Newsletter, was Kind 1 jetzt alles kann und was es gerade am Erlernen ist.

Als Dankeschön für ein Newsletter Abonnement erhalten Eltern ein Begrüßungsgeschenk. Dadurch erfuhr ich auch vom Ursprung der Aufkleber, die bei vielen Autos auf der Heckscheibe prangern: Chantal und Kevin an Bord. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind diese Begrüßungsgeschenke ein Bestechungsversuch. Eltern werden für das Lesen mangelnder Newsletter-Inhalte belohnt. Ach Welt.

Das löchrige Raster der vermeintlichen Experten

In so einem Newsletter stehen Sätze wie:

„Ihr Kind ist jetzt 3 Monate. Ihr Kind kann sich jetzt vom Bauch auf den Rücken und wieder zurück drehen.“

Newsletter gelesen, Kind 1 auf den Bauch gelegt, den On Knopf gedrückt und: nichts. Gar nichts. Ausser Weinen und Schreien. Kind 1 drehte sich nicht.

Mit 6 Monaten dann:

„Ihr Kind ist jetzt 6 Monate alt. Ihr Kind wird selbständig. Krabbelnd erkundet es nun die Welt um sich herum. Der Spielradius wird größer. Üben Sie mit ihrem Kind, das ist wichtig für die Entwicklung.“

Newsletter gelesen, Kind 1 auf On gestellt und den Vorwärtsgang eingelegt. Nichts. Gar nichts. Ausser Weinen und Schreien. Kind 1 hatte keinen Übungsmodus. Entweder On oder Off.

Nach wenigen Monaten und einigen massiven Entwicklungsabweichungen von Kind 1 und Newsletter löschte ich jeden dieser Newsletter in einer feierlichen Zeremonie. Anschließend beendete ich das Ihr-Kind-kann-jetzt-Abo.

Schlechte Ratgeber für gute Kinder

In letzter Zeit fällt mir verstärkt auf, wie genervt ich auf „clevere“ Ratgeber reagiere. Kind 1 ist individuell, Kind 2 ist das auch. Kind 1 lernte das Krabbeln anhand der Nase-Boden-Aufschlag Methode. Kind 2 blieb einfach so lange sitzen, bis es sich sicher genug fühlte. Dafür krabbelte Kind 2 später. Und die Erkenntnis? Alles ist gut.

Vor kurzem habe ich gelesen, wie man Dreijährigen das Thema Geld erklärt und merkte, dass ich dabei ebenfalls ein Knurren in der Magengegend verspürte. Da war von Aktienfonds und jährlicher Verzinsung die Rede. Von Sparschweinen, die man zur netten Dame im Geldinstitut des Vertrauens trägt und wo die Dame nach einem Jahr noch etwas Geld mit ins Schwein wirft. Geschenkt.

Der nächste Ratgeber beschäftigt sich mit dem Thema Kinder und Sicherheit. Käfighaltung für die Kleinsten. Herdplattenschutz, damit sich die Kleinsten nicht verbrennen. Türsicherungen, damit die Kleinen nicht an gefährliche Gegenstände kommen. Wer es weit treiben möchte, kann das Familienleben damit verbringen, alles jederzeit und immer abzusichern. Meine Reaktion darauf:

Die meisten dieser Ratgeber spielen mit der Angst der Eltern. Angst etwas falsch zu machen. Und natürlich können Eltern durch geeignetes Konsumverhalten diese Angst verringern. Angst statt Vertrauen. Angst statt Zutrauen.

  • Angst, dass das Kind falsch entwickelt sein könnte.
  • Angst, dass Kinder irgendwann nicht mit Geld umgehen können.
  • Angst, dass Kinder nicht richtig sprechen lernen.
  • Angst, dass die Kleinen sich an der Herdplatte verbrennen.
  • Angst, dass Kinder irgendwas falsch machen.
  • Angst, dass zu laute Kinder die Nachbarn stören.
  • Angst, dass Kinder Angst haben.

Ängste, wohin man nur schaut. Darauf habe ich keine Lust mehr. In diesem Sinne: genießt eure Kinder so wie sie sind. Richtig, einzigartig, wunderbar und talentiert.

P.S. Wie ich mit Erstaunen feststellte, nehme ich Ratschläge in Form von schön geschriebenen Geschichten als sehr positiv wahr. Ein Artikel, der mit einem Augenzwinkern erzählt wird und mich zum Schmunzeln bringt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ich den Inhalt wahrnehme, um ein Vielfaches.

Das ideale Alter, um Kindern das Fahrradfahren zu lernen

Wann ist das ideale Alter, in dem ein Kind zum ersten Mal Fahrrad fahren sollte? Ihr merkt selbst, wie geistig begrenzt diese Frage ist, denn niemand wird eine allgemein gültige Antwort darauf geben können.

Abgesehen davon ist jedes Kind individuell in seinen Begabungen und Bedürfnissen. Dieser kanadische Vater hat seine beiden 4-Jährigen beim BMX Fahren gefilmt. Und bitte nicht traurig sein, wenn die eigenen 4-jährigen Kinder das noch nicht können. Das ist absolut normal ;)

(Video Direktlink)

Wie Fashion Victims uns zu Modeopfern machen

Eine nicht geringe Anzahl von Männern hat keinerlei Ahnung von Mode. Geschweige denn wissen wir, welche Farben zusammenpassen. Wir Väter nehmen die Welt mit Kindern unter dem „Praktisch muss es sein“ Aspekt wahr. Stopp.

Wahrscheinlich wissen sehr viele Männer, was gerade modern ist, welche Farben momentan im Trend liegen und in welchen Kombinationen man diese tragen kann. Nur ich eben nicht. Ich kombiniere ein braunes Oberteil mutig mit einer grünen Cargohose. Die Fashion Blogger würden sich die Hände vors Gesicht halten, während ich, mir keiner Schuld bewusst, die Straße entlangschlendere.

Freie Auswahl für alle

Wenn es die Zeit zulässt, dann suchen sich Kind 1 und 2 die Kleider, die sie anziehen möchten, selbst aus. Wenn zeitlicher Druck herrscht, dann lege ich meist 2 Kleidungsstücke zur Auswahl hin. Also 2 Hosen, 2 Oberteile und so weiter. Dabei achte ich natürlich nicht auf eine Farbkompatibilität. Wir wollen ja nur kurz zum Bäcker.

So laufen Kind 1 und 2 manchmal in den unpassendsten Farb,- und Kleider-Kombinationen umher. Beide stehen selbstbewusst in Jogginghose und feinem Hemd beim Bäcker und krakeelen nach einer Brezel.

Nun habe ich offensichtlich ein fehlendes Modegen, dafür ist das Wahrnehmungsgen zu stark ausgeprägt. Die Blicke der modebewussten Mütter bleiben mir selten verborgen. Manchmal wagen einige, vermutlich aus Mitleid, die direkte Ansprache:

Die Zeit kenne ich auch noch, als sich die Kinder ihre Kleider selbst auswählten und kein Kleidungsstück zum anderen passte. Das war hart.

Ich brauche kein Mitleid. Ich finde das toll! Manchmal bescheinigt man mir sogar eine Art Mut, wenn ich mit den Kindern in wildesten Kleider-Kombinationen am öffentlichen Leben teilnehme. Gleichzeitig stellt sich mir die Frage, ob die modebewussten Mütter, die mich ansprechen nicht sehen, was ich für eine Kombination trage. Da sich Erwachsene aber eher selten die Wahrheit sagen, geniesse ich einen verbalen Schutz, den die Kinder nicht haben. Unfair. Bis heute warte ich auf den Tag, an dem ein Fashion Victim sagt:

Finden Sie es nicht bedenklich, wie Sie ihre Kinder anziehen? Lassen Sie das lieber ihre Frau machen oder ziehen Sie den Kleinen bitte anständige Kleider-Kombinationen an. Ihre Kinder werden es mit diesem Auftreten später im Leben sehr schwer haben.

Wir sind harmlos, wir tun euch nichts

Inzwischen habe ich einen Weg gefunden, mit dem sowohl die Kinder, als auch ich, zufrieden sind:

Wissen Sie, bei uns läuft das so: die Kinder suchen meine Kleider aus und ich ihre.

Nach diesem Satz kommt meist noch ein „Das ist ja eine tolle Idee“ als Antwort, bevor sich die modebewussten Mütter umdrehen und auf dem roten Teppich den Bäcker kopfschüttelnd verlassen.

Liebe modebewusste Mütter: wir brauchen keine Typberatung. Das gehört so. Auch wenn ihr als Fashion Victims uns als Modeopfer identifiziert habt: wir sind vollkommen harmlos. Wir lieben nur das Verrückte, Irre und eben das, was uns gefällt. Wenn Kind 2 das gelbe Shirt unbedingt zur roten Hose anziehen möchte, dann unterstütze ich es dabei. Wenn Kind 1 eine kurze Hose mit Kniestrümpfen anziehen möchte, dann unterstütze ich es. Und wenn ihr Pech habt, dann laufe ich an manchen Tagen wie meine Kinder umher.

In diesem Sinne bis demnächst. Beim Bäcker.

P.S. Das in die Jogginghose gesteckte Hemd gehört so.