35 Grad. Die Kinder krakeelen nach Abkühlung. Richtung: Freibad. Wir handeln antizyklisch, was bei Familien nicht untypisch ist. So starten wir um 9 Uhr Richtung Freibad und verschieben den Wocheneinkauf auf den frühen Abend. Vorteil: der Supermarkt ist leer. Das Freibad auch. Wir lieben Leere und geniessen die ersten Stunden.

Das Freibad hat ein Babybecken. Das brauchen wir nicht. „Ich bin doch kein Baby mehr“, brüstet sich Kind 2 und steuert mit Kind 1 auf das Kinderbecken zu. Beide Kinder sind bereits im Wasser, als mir mein großer Zeh meldet: „Boaaaaahhhh, das Wasser ist verdammt kalt.“ Abgelöst wird der Gedanke von einem „Jetzt stell dich nicht so an, du verweichlichtes Stück Fleisch. Bewege dich endlich ins Wasser. Kann ja wohl nicht angehen, dass deine Kinder lässig im Wasser baumeln, während du mimosenhaft am Rand das Zehenbad bevorzugst.“ Weichei.

So laufe ich einmal um das Becken, denn auf der anderen Seite geht das Wasser nur knapp bis zu den Knien. Kinder ausgetrickst. Gesicht gewahrt. So geht das.

Kind 1 und 2 schleichen sich heran und spritzen mich von oben bis unten nass. Ich sollte meine Intelligenz überprüfen lassen. Dachte ich wirklich, dass sich beide Kinder selbst beschäftigen und ich mich am Rand an der Situation erfreuen kann? „Papa, wieso schreist du so laut?“ Ich gaukle den Kindern die Theorie von Freudengesängen vor, während sich die Gänsehaut einen Neoprenanzug und eine Heizdecke wünscht. Weichei im Freibad.

Fünf Minuten später hat sich mein Körper angepasst. Ich bin bereit. Kinder werden durch die Luft geworfen. Arschbombe aus 15 Zentimeter Höhe mit mehrmaligem Überprüfen wie hoch das Wasser gespritzt hat. Standard. Andere Kinder fliegen auch durch die Luft. Ein Vater perfektioniert die Flugeinlage der Tochter, indem er sie 3 Meter wegwirft. Unkoordiniert. Jede Eintauchphase endet mit einem Bauchplatscher. Aua. Doch das Mädchen lacht bei jedem Auftauchen. Da ist sie wieder, meine weiche Seite. Weichei im Freibad.

Kind 2 entdeckt die Rutsche und startet den persönlichen Rekord. 25.000 Mal Rutschen ohne Pause. Kind 1 und ich sprinten aus Langeweile ins 100 Meter entfernte Schwimmerbecken und stürzen uns schnell ins Wasser. Warm. Halt, stopp. Das Wasser ist warm. WARM! Verdammt warm im Vergleich zum Kinderbecken, obwohl weniger Kinder hier sind. Murphys Law.

Während wir im Wellenbadkreisel treiben öffnet der Bademeister das 3 Meter Brett. Als Sprungakrobat entgeht das Kind 1 nicht. In wenigen Wochen hat es sich vom Beckenrand zum Startblock zum 1 Meter Sprungbrett hochgearbeitet. Steile Karriere. „Papa, kann ich vom 3 Meter Brett springen?“ Kind 1 ist nervös. Freudig nervös. Die Hände zupfen unentwegt an der kleinen Short. „Papa, ist das hoch?“ Papa, wie hoch sind 3 Meter? Wie springe ich am besten runter? Bombe? Kopfsprung?“ Fragen über Fragen, bevor wir den Boden auch nur einen Zentimeter verlassen haben.

Kind springt im freibad vom 3 meter brett

Foto: Clemens V. Vogelsang / CC BY 2.0 – Foto bearbeitet, kleines Dixi retuschiert

Kind 1 klettert vor mir nach oben, hält sich beim Vorlaufen auf dem Brett am Geländer fest und nähert sich dem Abgrund. Vorsichtig. Sehr vorsichtig. Das Geländer endet und noch ist es 1 Meter bis zum vorderen Rand des Bretts. In seitlicher Kampfposition nähert sich Kind 1 dem Rand, schaut nach unten und ruft: „Papa, soll ich springen? Wie soll ich springen?“ Ich höre mich „Kerze, am besten Kerze“ rufen, da passiert es. Kind 1 läuft schnurstracks zu mir zurück.

Respekt Kind 1. Du warst am Brettende. Du hast nach unten gesehen. Ohne Festhalten. Seelisch bereite ich mich auf unseren Abstieg Richtung null Meter vor, wo wir von vielen verärgerten Anstehenden mit einem verächtlichen „Weicheier, Weicheier“ in Empfang genommen werden. „Papa, wie geht eine Kerze vom 3er?“ holt mich Kind 1 aus meinen Gedanken. Nach kurzer Technikbesprechung rennt Kind 1 mit einem „Ach so, wie beim 1 Meter Brett auch, das ist ja einfach“ nach vorne. Zack, weg ist es. Zu schnell für mich. Das Kind. Gesprungen. Nach unten. NACH UNTEN. 3 METER!

Von unten taucht ein wahnsinnig stolzes Kind mit einem riesigen Lachen und strahlenden Augen auf. So schön kann Glück sein. Mit einer Arschbombe verabschiede ich mich nach unten. Alter ist kein Grund für keine Arschbombe. Kind 1 empfängt mich mit einem Begeisterungssturm und wir springen noch ein paar Mal. Dann rennen wir voller Freude zu Mama, um ihr von der Neuigkeit zu berichten. Alle sind glücklich. Meine Poschmerzen behalte ich für mich. Man will ja kein Weichei sein.

Jammerlappen.