Ehrlich, ich wollte das nie. Jetzt haben meine Kinder, zwei Jungen, Nagellack für sich entdeckt. Das ist doch zum Kotzen. Kein echter Mann verwendet Nagellack. Wie sollen aus den beiden Jungen mal echte Männer werden. Hart wie die deutsche Eiche, furchtlos, jede Frau beschützend, weil die es selbst nicht hinbekommen. Dafür braucht es Männer. Auf der anderen Seite frage ich mich auch, wer meinen Kindern später mal das Mittagessen auf den Tisch stellen wird, wenn keine Frau heutzutage mehr kochen kann.

Kind 2 mit lackierten Fingernägeln und einem gepflückten Blumenstrauß

Kind 2 mit lackierten Fingernägeln und einem gepflückten Blumenstrauß

In regelmäßigen Abständen bringen meine Kinder mich dazu, das vorherrschende Gesellschaftsbild zu hinterfragen. Wie ist das eigentlich mit diesem ganzen typisch Junge, typisch Mädchen Ding, das sehr oft von außen über die Kinder hereinbricht? Sind wir nicht alle Mädchen und Jungen zugleich, abgesehen von den Geschlechtsmerkmalen?

Bei uns ist das momentan so: während Kind 1 gerne Fußball spielt, ist Kind 2 ein Blumenfan. „Papa, spiele mal zu mir“ ruft Kind 2, und während der Ball zu ihm rollt, fängt er an Blumen zu pflücken, weil die „Soooooo sööööön“ sind. Das mit dem „sch“ und anderen Sprachbegebenheiten legt sich übrigens mit der Zeit, so zumindest meine Feststellung. Also Ruhe bewahren.

Erfahrungen machen

Irgendwann ging die Geschichte von Nils Pickert durchs Netz, der seinen fünfjährigen Sohn unterstützte. Der kleine Steppke trug gerne Kleider, also zog sich Nils auch einen Rock an, um seinem Sohn zu zeigen, dass alle ok ist, wie er das macht. Natürlich auch, um ihn vor Anfeindungen zu schützen. Das ging damals durch zahlreiche Blogs.

Diese Geschichte ist natürlich sehr hoch aufgehangen, denn oft entzünden sich schon an den kleinsten Normabweichungen große Diskussionen. Dabei ist völlig ungeklärt, wer die Norm definiert. Wenn die Norm eine Werteordnung innerhalb der Gesellschaft definiert, ist dadurch immer noch nicht geklärt, welchen Wert die Gesellschaft an sich hat.

Zurück zur Ausgangssituation und unseren 2 Kindern. Letzte Woche kam Kind 2 und wollte unbedingt roten Nagelnack. Nagelnack ist kein Rechtschreibfehler, nein. Auch diese Sprachbegebenheit wird sich bei Kind 2 mit der Zeit legen. Immer noch keine Panik. Kind 1 wollte da in nichts nachstehen und entschied sich für blauen Nagellack. Sind das jetzt 2 Jungen oder 2 Mädchen? Beide möglichen Antworten sind übrigens falsch, denn es sind zuerst zwei Menschen. Als wir dann am See spazieren gingen, pflückten beide Kinder einen Blumenstrauß, wobei Kind 1 das nur machte, weil Kind 2 mit dem Pflücken begann. Man will ja nicht ohne Blumenstrauß dastehen, das wäre ja ungerecht. Oder so.

Von Kind 2 machte ich oben zu sehendes Bild und ich genieße solch kleinen Momente. Natürlich kommen im Kindergarten andere Kinder und sagen: „Hehe, du hast ja Mädchen-Nagellack.“ Das aber zeigt nur, dass es irgendwo auf dieser Welt auch Nagellack für Jungen geben muss. Sonst wäre die Logik falsch. Woher solche Ansichten kommen ist klar, doch irgendwann ist es an uns allen, bekannte Muster aufzubrechen, Kinder einfach mal machen zu lassen, sie zu unterstützen und zu schützen. Punkt. Am Rande betrachtet frage ich mich ja, wie man sich z.B. über einen solchen Blumenstrauß nicht freuen könnte, egal ob von Junge oder Mädchen gepflückt, egal ob mit Nagellack oder ohne.

P.S. An Karneval habe ich mich zum Beispiel früher sehr gerne als Frau verkleidet. Röcke fand ich irgendwann cool, irgendwann auch nicht mehr, alles war ständig im Wandel. Oh ja, ich habe auch heute noch ein beklemmendes Gefühl, wenn ich nachts alleine durch den Wald laufen muss. Sind das jetzt alles weibliche Züge, weil Männer ja mutig und stark zu sein haben? Alles Quatsch, wir alle sind Frauen und Männer zugleich. Und in erster Linie sind wir Menschen mit einem Streben nach Glück. That´s fucking all. Sich ohne Vorurteile ausprobieren dürfen, das möchte ich meinen Kindern zumindest gerne ermöglichen.

Update 29.05.2014: Herzlich Willkommen liebe Spon Leser

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