Vor einigen Jahrzehnten hielt mich in Würzburg eine Polizeistreife an. Morgens um fünf. Mein Typ passte perfekt ins Raster. Lange Haare und ein roter VW Golf mit Aufkleber auf der Heckscheibe, der für mein damals angedachtes Fotografendasein warb. Nach dem üblichen „Fahrzeugkontrolle. Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte!“, fand ich mich Minuten später im Präsidium ein und urinierte in einen Becher. Randvoll. Das machte ich damals so. Aus Protest. Im Verhörzimmer waren die Stühle mit Blümchenmusterstoff bezogen. Wie nahe die Sitzbezüge und der Humor der Polizisten beieinander lagen, ahnte ich nicht. Acht von zehn Polizisten einigten sich auf Haschisch, einer stimmte für Marihuana und einer holte den Urinbecher aus der Toilette.

Pokalartig stellte Polizist 10 den Becher auf den Tisch. Teststreifen raus und das Warten auf die Linien begann. Nach unendlich langen Minuten waren alle Linien zu sehen, was bedeutete: Negativ. Mir war das ja klar, aber die enttäuschten Gesichtsausdrücke der anwesenden Polizisten prägten sich ein. Bis heute.

Das ganze Leben ist eine Droge. Am deutlichsten manifestiert sich das in einem Mineralbad um neun Uhr morgens. Unter der Woche versteht sich. Die werte Frau und ich geniessen heute dort einen kinderfreien Vormittag. Natürlich macht man sich über das Klientel eines Mineralbades erst dann Gedanken, wenn man bereits Eintritt bezahlt hat. So sitzen wir in einer Sauna. 90 Grad. An der Wand hängt eine Holztafel mit den drei goldenen Saunaregeln:

1. Bitte Saunaruhe beachten
2. Keine Handtücher über den Saunaofen legen
2. Bitte Handtuch unter den Po legen

Wir sitzen schweigend nebeneinander und schwitzen. Neben uns zwei Pärchen, die sich ohne Unterbrechung unterhalten. Abwechselnd blicke ich zur Holztafel und zu den Pärchen. Nochmal. Und noch mal. Die Tür öffnet sich. Ein älterer Mann mit Strumpf am Arm betritt die Sauna und setzt sich direkt neben den Eingang. Mit einem lauten Ausschrei reckt und streckt er seinen verletzten Arm. Schmerz liegt in der warmen Luft. Mit einem lauten „Grüß Gott“ betritt ein weiterer Mann die Schwitzkammer. Die Pärchen grüßen ebenfalls um gleich darauf mit dem Tuscheln fortzufahren.

Die werte Frau und ich sehen uns an und lachen. Schmunzeln. Lachen. Leise natürlich, um Saunaregel 1 nicht zu brechen. Ich suche den Raum nach versteckten Kameras ab. Nichts. Der Mann rechts neben uns, der sich minutenlang nicht bewegte, gibt seltsame Geräusche der Entspannung von sich. Er bewegt sich, setzt sich hin und reckt die Arme nach oben, um nochmals wohltuende Geräusche abzusondern. Mit einem herzlichen „Grüß Gott“ betritt eine Frau die Sauna. Ein kaum bemerkter Zwischenfall, denn ein weiterer Mann hält sich währenddessen die Hand vor den Mund und rülpst. Und nochmal. Wir schreiben das dem Alter des Mannes zu, weil es die einfachste Erklärung ist. Inzwischen kann ich vor Lachen kaum noch an mich halten. Mit einem Dauergrinsen sitze ich da und schwitze.

Die Türe geht erneut auf und eine Frau mit weißer Bademütze mit roten Punkten setzt sich neben uns. Da ich tags zuvor mit Kind 2 Mario Kart spielte, muss ich unweigerlich an Toad denken. Kind 2 liebt Toad. Yeah, ein Pilz. Ich blicke zur werten Frau und deute an, dass ich schnellstmöglich die Sauna verlassen muss. Wir gehen nach draußen und ich lache laut. Wie Kind 2 wohl reagiert wenn ich erzähle, dass ich Toad in der Sauna getroffen habe? An Entspannung war in der Sauna zu keiner Zeit zu denken, aber wen stört das, wenn sich das pralle Leben die Klinke in die Hand gibt. Ich liebe das Leben mit all seinen unterschiedlichen Menschen. Und erst alles zusammen ergibt wirklich Sinn.