Sonntag. Wir besuchen mit einer befreundeten Familie das Ludwigsburger Kinderfest (PDF Datei). Vor der Anreise verrichtet jeder noch sein Geschäft. Also pinkeln. Kurz darauf erreichen wir den Ludwigsburger Rathhausplatz. Vor uns reiht sich ein Stand mit sportlicher Attraktion an eine Pommesbude, an einen Feuerwehrstand, an einen Stand mit einer Dame, die sichtlich gelangweilt Memory Karten für Kinder umdreht. Weitere Attraktionsstände folgen.
Eine Bühne sorgt für den passenden musikalischen Rahmen. Auf dieser zeigen diverse Kinder-Tanzgruppen, wie man das interessierte Publikum einen ganzen Nachmittag mit einem Lied beglücken kann. Jede Tanzgruppe choreographiert „Oh Happy Day“ höchst individuell. Das Publikum applaudiert. Den ganzen Nachmittag.
Vor dieser musikalischen Hintergrundkulisse startet der Nachwuchs die Kinder-Rallye. Jedes Kind bekommt einen Zettel, der alle anzusteuernden Stationen zeigt. Sechs Aufgaben gilt es zu erledigen, bevor am Ende eine kleine Überraschung wartet. Das finde ich eine sehr nette Idee. Rallye Station 3 besagt: Lösche mit dem Feuerwehrschlauch den Brand.
Kind 1 zielt mit dem Schlauch auf ein Loch in einer Wand. Die auf die Wand gemalten Flammen sehen nicht sehr gefährlich aus. Die Rallye-Station hat dennoch ihre Aufgabe erfüllt, denn Kind 1 muss anschliessend auf die Toilette. Das Mädchen der befreundeten Familie muss auch. Wasser marsch! Aber wo?
Der Rathausplatz ist umringt von kleinen Cafés und Eisdielen. Auf freundliche Nachfrage werden wir konsequent abgewiesen. Wir würden ja schließlich auch nichts essen oder trinken. Durch meine Gehirnwindungen dreht sich ein „typisch deutsch“, bevor sich im vierten Café eine nette Dame erbarmt:
Nein, Sie können hier nicht mit ihrem Kind auf Toilette gehen. Unsere Toiletten sind nur für unsere Kunden. Wenn Sie den Rathausplatz überqueren, finden Sie auf der gegenüberliegenden Seite öffentliche Toiletten. Da kann ihr Kind in Ruhe pullern.
So stehe ich mit einem kurz vor knapp und einem könnte auch schon zu spät sein Kind vor der großen Überquerung. Die öffentliche Toilette entpuppt sich als mobile Dixi Toilette. Ich fühle mich in meine Festival Zeit zurückversetzt. Damals konnte ich meine Körperfunktionen umstellen, was es mir ermöglichte, in den Tagen des Festivals keine mobile Toilette nutzen zu müssen. ICH BIN NICHT PINGELIG. Wir können Schlamm essen, Würmer, Insekten oder mit allen Fingern in der Nase bohren, aber bitte nicht auf eine Dixi Toilette für Erwachsene gehen.
„Papa, wo ist denn nun die Toilette!“, erinnert mich Kind 1. Ich öffne vorsichtig die Tür und behalte das Gesehene besser für mich. Auch bei Kind 1 ruft der Anblick eine heilende Wirkung hervor. „Papa, ich muss doch nicht mehr! Können wir wieder zur Rallye zurück?“ Auf dem Rückweg finden wir ein Café, dessen Besitzer uns freundlich gesonnen ist. Auf meine Frage „Wissen Sie, wo ich hier eine Toilette finde?“ erwidert er:
Sicher. Wir haben eine Toilette, die Sie gerne benutzen können. Einfach die Treppen hoch und die erste Tür links.
Vielen Dank an den netten Besitzer des letzten Cafés. Wenn wir mal wieder in Ludwigsburg sind, bringe ich Ihnen eine Urkunde für Kinderfreundlichkeit vorbei. Ach nein, eine Urkunde für Menschlichkeit. Danke.
Dixis für Kinder
Auf dem Rückweg zur Rallye stellt sich mir die Frage, ob es Dixis für Kinder gibt. Die Recherche auf der Dixi Webseite bleibt erfolglos. Keine Produkte für Kinder. Schade, denn Dixi dürfte wohl der bekannteste Anbieter für mobile Toiletten sein. Auf einem Kinderfest hätte ich mich über zusätzliche Kindertoiletten sehr gefreut.
Nach Erledigen aller Rallye-Aufgaben holen sich die Kinder ihre Überraschung ab und wir treten die Heimreise an. Bis auf die Toiletten und die Musik ein durchaus erholsamer und entspannter Nachmittag. Danke.
Gibt’s in dem Örtchen keine Kaufhäuser? Ich hätte ansonsten beim Rathaus selbst oder der VHS geschaut. In ein Café zum pinkeln gehe ich nur, wenn es wirklich gar nichts anderes gibt. Und dann trink ich da halt nen Kaffee. Ich glaub, es gibt auch so ne APP für öffentliche Toiletten.
Leider war Sonntag. Geschäfte und öffentliche Gebäude hatten geschlossen. Vielleicht sogar aus Angst vor dem Toilettenansturm ;)
Ein „Shitstorm“ wäre jetzt nicht so passend, um für Kinder-Dixis zu plädieren. Aber dieses Abweisen von Toilettengängern, gerade von Familien mit kleinen Kindern, lässt meine Nackenhaare aufstehen. Das ist schon eine Mentalitätssache. Wenn man in Frankreich, Italien oder Spanien mit dem Nachwuchs ankommt und fragt, ist es kein Thema. Manches Mal hat man hierzulande auch Glück. An der mecklenburgischen Ostsee hatten wir im Urlaub viel Glück – dort gab es auch nahezu auf allen Herrentoiletten Wickelmöglichkeiten für den Nachwuchs. Bei uns am Ort gibt es das http://www.die-nette-toilette.de/ – und ich bin froh drüber.
Mentalität ist der richtige Ansatzpunkt. Allerdings bin ich der Überzeugung, dass sowohl Erwachsene, als auch Kinder abgewiesen wurden. Ist das jetzt noch schlimmer? ;) Andere Länder sind uns in punkto selbstverständlichem Umgang mit Kindern als gleichwertiger Teil der Gesellschaft tatsächlich voraus.
Da wir aber die Welt nicht sofort ändern können, fand ich es angemessen, mit einem kleinen Verbesserungsvorschlag die Welt ein klein bisschen besser zu gestalten. Fürs große Geschäft brauchen wir sicherlich noch Jahrzehnte ;)
Eine Toilette empfinde ich dabei als angemessenen Startpunkt.
;-)