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Urlaub mit den Kindern: Bienen, Blut und Blitze

Hurra, wir sind auf der Fahrt in unseren ersten gemeinsamen Urlaub. Camping. Mit Zelt. Mit Kindern. Ohne Mama. Kind 1 weint, als wir mit dem Auto aufbrechen. Bevor das Mutterherz die Autotür aufreisst fahren wir schnell los und hören kurz darauf Rotz ´n´Roll Radio. Eine wunderbare CD, bei der alle lauthals mitsingen.

90 Minuten später passieren wir die Schranke des Campingplatzes und fahren zur Zeltwiese. Die Temperatur sagt zu heiß, um ein Zelt aufzubauen. Kind 1 und 2 behaupten hingegen, es sei viel zu kalt. So stecken wir lange Stäbe zusammen. Das Zelt ist größer als gedacht. Ich gebe mich hilflos und zwei Männer eilen herbei, um mir beim Aufstellen zu helfen. Das funktioniert auf einem Campingplatz zum Glück immer. Man hilft sich und das ist gut. Ich hänge die beiden Schlafkabinen ein, hämmere die Heringe in den trockenen Boden. Die Kinder pumpen die Schlafmatratzen auf. Alles rein ins Zelt und fertig. Rekordverdächtige 55 Minuten später liegen wir am See rennen wir in einen grünlichen See mit Rotfeder-Population.

Wasser ist das Element. Die Kinder schwimmen und tauchen stundenlang. Von einem Steg aus zaubern wir Kunstsprünge ins Wasser. Kind 1 bevorzugt „Arschbombe“ und Salto. Doch wir haben auch unbekanntere Sprünge im Repertoire. Kind 2 steht gerne rückwärts zum Wasser und lässt sich dann mit einem lauten „Aschtung, Stinkender Schweinefurz“ nach hinten fallen. Diesen Sprung gibt es auch in der Ausführung „Doppelter stinkender Schweinefurz“. Das wissen nun auch die anderen Badegäste.

Gewitter, Gewitter

Dunkle Wolken ziehen auf. Wir essen zu Abend, als plötzlich ein heftiger Regenschauer niederprasselt. Nach 10 Minuten ist alles überstanden. Wir planen den Fischgeruch des Sees von unseren Körpern zu waschen und gehen Richtung Waschhaus. Dusche für alle. Beim anschließenden Zähneputzen nehmen wir ein lautes Geräusch wahr. Oh nein, das Gewitter ist zurück. Mit Bademänteln bekleidet rennen wir durch den Regen Richtung Zelt zurück. Nass stehen wir im Zelt. Ein 1×2 Meter großes Fleckchen Erde für drei. Fast schon großzügig.

Der große Knall

In der Nähe schlägt ein Blitz ein. Der dazugehörige fast synchrone Donner ist unglaublich laut. Durch das Fenster des Zeltes beobachten wir ein Kind, das wild und laut schreiend von einer Ecke der Zeltwiese zur anderen rennt. Und wieder zurück. Ein Vater versucht das Kind einzufangen. Wenige Bahnen später gelingt dem Vater der goldene Griff und die gesamte Familie verzieht sich im Familien-Van.

Kind 1 fragt nebenbei, ob es im Auto nicht viel sicherer sei, als im Zelt. Die väterliche Intuition nickt zustimmend, ohne dabei die Ängste von Kind 1 zu übersehen. Wenige Augenblicke später sitzen wir ebenfalls im Auto. Kind 2 versucht Kind 1 mit einem „ch will aber im Zelt schlafen“ zur Rückkehr in die Schlafkabine zu bewegen. Nichts zu machen.

Im Auto nach Nirgendwo

So erzählen wir uns Geschichten und fühlen uns sicher. Nach einer Stunde Dauerregen muss ich meine Füße kurz bewegen. Der Fahrersitz bietet nicht unbedingt viel Platz, wenn dahinter Kind 2 im Kindersitz residiert. Mein linker Fuß bewegt sich 15 Zentimeter nach links. Oh Entspannung, da bist du ja. Kind 2 fängt an bis hundert zu zählen. Bei 19 unterbreche ich, denn irgendetwas hat meinen linken Fuß berührt. Kind 1 und 2 können es nicht sein, die sitzen auf der Rücksitzbank. Im Auto herrscht angespannte Stille. Pssst. Leise. Was ist das? Da, schon wieder. Plop. Ein Regentropfen fällt auf meinen Fuß. Mein Kopf überlegt kurz, ob das Fenster offen ist. Nein. Plop. Schon wieder. Ach so, das Auto ist undicht. Da hätte ich auch früher drauf kommen können. Wir hatten einen Urlaub mit viel Abenteuer vereinbart. Gewitter, Blitzeinschlag und ein undichtes Auto sind ein guter Anfang.

Hallo, wer schläft da?

Die dauerhaften Blitze sind so hell, dass wir nicht einschlafen können. Also verlassen wir den Campingplatz und suchen einen Ort für die Übernachtung. Unsere Ansprüche sind gering. Im Idealfall finden wir einen Parkplatz unter einem Dach, so dass es nicht die ganze Nacht ins Auto regnet. Und dunkel sollte es auch sein. In einem verlassenen Industriegebiet werde ich fündig. Hier ist nichts los. Das leicht überstehende Dach des Gebäudes schützt das halbe Auto vor dem Regen. Perfekt. Kind 2 ist bereits während der Fahrt eingeschlafen. Kind 1 klettert nach vorne auf den Beifahrersitz und schläft dort unruhig weiter. Und nun sitze ich da: In einem verlassenen Ort, in einem verlassenen Industriegebiet und fühle mich verlassen. Die Verlassenheit hat einen Namen: Tengen. Irgendwo in der Nähe des Bodensees. Wer sich verlassen und einsam fühlen möchte: Tengen ist der geeignete Ort. In dieser Nacht habe ich viel Zeit. Ich frage mich, ob das was ich da gerade mache, ein Jobprofil ist, auf das ich mich bewerben könnte. Wie könnte das Berufsbild heissen? Es soll ja Menschen geben, die eine Couch einsitzen. Als Beruf. Vielleicht Autositzeinsitzer auf selbständiger Basis?

Ich bin wohl kurz eingenickt, als mich der Lichtkegel einer Taschenlampe weckt. Mitten ins Gesicht. Eine seltsam dunkle Gestalt ermuntert mich wild gestikulierend das Fenster zu öffnen. Auf meinen fragenden Blick hin dreht sich der Mann um und geht etwas in die Knie. Da steht in Großbuchstaben: ZOLL. Ich öffne das Fenster einen kleinen Schlitz. Könnte immer noch ein Fake sein. Der Mann dreht sich erneut um und fragt, was ich denn hier mit dem Kind mache. Ich entgegne, dass ich 2 Kinder im Auto habe und erzähle ihm vom Gewitter, vom Campingplatz und so weiter. Natürlich glauben sie mir nicht. Der zweite Mann und die dritte Frau treten in mein Blickfeld und gucken mich mitleidig an. Sie merken, dass ich gerade wenig Interesse an einem Gespräch habe. Nach Überprüfung der Personalien und dem Wecken der Kinder empfehlen sie mir gegenüber vor einem anderen Gebäude zu parken. Danke dafür.

zoll tengen an schweizer grenze

Gut getarnt: Das Zollgebäude in Tengen

Licht an

In den nächsten beiden Stunden herrscht reger Zollverkehr. Zivilfahrzeuge und Zollbusse wechseln sich ab. Bei jeder An,- und Abfahrt eines Fahrzeugs erhellen Baustrahler das Gelände. Nicht nur das Gelände. Unser Auto gegenüber wird direkt von den Baustrahlern erfasst. Ich überlege kurz nackt zu schlafen, als Abschreckung sozusagen, damit sie endlich diese Strahler abschalten. Ich besinne mich aber. Durchhalten. Es ist 3 Uhr nachts. Das Unwetter ist vorbei. Der Campingplatz öffnet erst um 8 Uhr morgens. So bleiben mir weitere 5 Stunden intensiven Nachdenkens.

Ein Tag voll Sonnenschein

Um 6 Uhr fahre ich auf der Suche nach einem Kaffee die verlassenen Dörfer in und um Tengen ab. Eine Gegend, in der die Ortschaft am meisten Ansehen geniesst, die entweder einen Aldi oder einen Lidl als Einkaufsmöglichkeit bietet. Verrückt. Eine wunderschöne Landschaft, in der die einzige Endung von Ortsnamen „en“ zu sein scheint. Tengen, Engen, Singen, Gottmadingen, …

Um 7.30 Uhr fahren wir glücklich, mit Kaffee, zurück zum Campingplatz. Es ist ein schöner Tag. Bereits um 10 Uhr zeigt die Temperatur gefühlte 35 Grad an. Die Kinder entscheiden sich für die Attraktion, die morgens zuerst öffnet. Das Spielezelt. So stehen wir um 9 Uhr in einem Getümmel von Hüpfburgen, Rollrutschen, Tischtennisplatten und anderen Kindern. Mein erster Moment der Ruhe. Kind 1 und 2 sind bespielen alles, während ich übernächtigt in einem unbequemen Stuhl sitze und scheinbar halluziniere. Von überall in diesem Zelt gucken mich böse Gesichter an. Getarnt als Lautsprecher.

lautsprecher mit gesicht

Gesichter. Überall Gesichter.

Ich wache ständig von meinem abnickenden Kopf wieder auf. Ein Teufelskreis. Dann habe ich es doch geschafft. Ich schlafe. Mindestens 25 Sekunden, ehe mich ein zweistimmiges „SCHWIMMBAAAAAAAD“ in den Stand schreit. Kind 1 und 2 haben sich einen kleinen Scherz erlaubt. Haha, witzig. Das Hallenbad glänzt mit einem nierenförmigen Schwimmbecken und kleinem Whirlpool. Vor der Sonne geschützt tauchen wir vor uns hin. Der Hunger treibt uns zum Mittagessen. Die Kinder sind enttäuscht, dass es so lange dauert Wasser zum Kochen zu bringen. „Papa, ich dachte die Popambaflasche ist extra fürs Kochen, warum ist die dann so langsam?“, fragt Kind 2. Kind 1 fügt im Sekundentakt ein „Ich habe Hunger“ hinzu. Nach dem Essen geht es wieder ins Schwimmbad. Beim anschließenden Minigolfspiel hören wir ab Loch 7 auf, die Schläge zu zählen. Wir spielen aus Spaß, nachdem Kind 1 an Loch 7 die Führung abgeben musste. Alles gut.

Abendessen. Um 20 Uhr gehen wir noch mal ins Schwimmbad, ehe wir gegen 22 Uhr erschöpft ins Bett fallen. Was für ein schöner Tag.

Stachelige Angelegenheit

Am nächsten Morgen genießen wir unser Frühstück und beschließen noch einen Tag länger bis Freitag zu bleiben. Natürlich ist mir nicht entgangen, dass auf der Wiese sehr viele Bienen unterwegs sind. Eine sitzt sogar auf der Schulter von Kind 1. Eine schnelle Kopfbewegung zur Seite reicht aus, und ein lautes „Auuuaaaaaaa, die Biene hat mich gestochen“ weckt die restlichen Campinggäste. Reißverschlüsse gehen auf, neugierige Gesichter blicken in unsere Richtung. Wir besorgen beim Restaurantbesitzer des Platzes eine Zwiebel und legen sie auf den Stich. Bei 37 Grad und unstillbarem Tatendrang natürlich nur kurze Zeit machbar.

Aua Aua Aua

Nach dem Mittagessen startet unsere Tour erneut: Spielezelt und anschließend Schwimmbad. Ich werfe die Kinder abwechselnd in die Luft und einen Rückwartssalto später tauchen sie ins Wasser ein. Einige Male landen sie auch auf dem Bauch. Nicht schlimm. Kind 2 belagert mich und bittet um einen weiteren Wurf. Während ich werfe kommt von hinten Kind 1 weinend angeschwommen. Es ist ausgerutscht und der Kopf tut unglaublich weh. Aua. Aua. Bei genauem Betrachten fällt mir auf, dass sich der Kopf langsam rot färbt.

Wir verlassen das Wasser und ich untersuche den Kopf. Da, ein Riss, eine Platzwunde. Ich rufe den Notarzt, da ich mich nicht in der Lage sehe, die Situation mit beiden Kindern und in Badeshorts alleine zu bewältigen. Das Auto weit entfernt. 20 Minuten und ein blutiges T-Shirt später treffen 3 Rettungskräfte ein. Mit einer Kochsalzlösung versucht der Notarzt die Wunde ausfindig zu machen. Ich helfe ihm. Kind 1 ist wirklich tapfer und lässt die Prozedur über sich ergehen.

Natürlich blutet es wieder, als die Wunde gefunden ist. Der Notarzt empfiehlt uns die nächsten 24 Stunden im Krankenhaus zu verbringen. Einerseits um die Wunde zu versorgen und andererseits um eine mögliche Gehirnerschütterung sofort behandeln zu können. Wir hatten solche Situationen bereits häufiger. Ich frage nach, ob man uns nicht zum nächstgelegenen Arzt fahren kann, damit die Wunde dort genauer untersucht werden kann.

Kurze Zeit später sitzen wir bei einem netten Arzt in Nirgendwo. Irgendwo. Als Vater in Ausbildung habe ich an Süßigkeiten gedacht, um Kind 1 zu motivieren. Laut Aussage des Arztes muss die Wunde nicht einmal geklebt werden. Ich frage vorsichtig nach, ob er die Wunde überhaupt gefunden hat. Ich zeige ihm vorsichtig die Stelle. Daraufhin wäscht er die Wunde, um kurz darauf zu konstatieren: „Das müssen wir nähen“. Kind 1 ist weiterhin tapfer und der kleine Schockzustand hilft dabei. Ich bin mit Sicherheit ein total schwierigier Vater, denn ich frage den Arzt erneut, ob das wirklich genäht werden muss, oder ob kleben nicht ausreichend wäre.

„Ich zeige Ihnen, warum die Wunde genäht werden muss“, entgegnet er mir. Ein kleines Blutgefäß ist beschädigt. Das Blut spritzt in einem Bogen und pulsiert glücklich im Pulsschlag von Kind 1 aus diesem heraus. Ähm ja, ich kann wirklich viel sehen und verarbeiten, aber das ertrage ich nicht lange.

Platzwunde erfolgreich genäht

Platzwunde erfolgreich genäht

Selbstverständlich hat der Arzt Recht und darf sofort mit dem Nähen beginnen. Doch zuvor kommt die Betäubung. Zwei Spritzen in die offene Wunde. Durch das eingespritzte Betäubungsmittel entsteht sofort eine riesige Beule. Kind 1 ruft zwei Mal „Aua“ und das wars. Das anschließende Nähen spürt Kind 1 nicht mehr.

Kind 2 moniert, dass das doch alles sehr langweilig sei und wann wir denn wieder Schwimmen gehen können. Kind 1 betrachtet die Nadel, mit der die Wunde genäht wurde. So langsam kehrt auch wieder die Farbe ins Gesicht zurück. Wir haben es geschafft. Besser gesagt Kind 1 hat es geschafft. Der Arzt verordnet die nächsten 8-10 Tage Ruhe und Schwimmbadverbot. Und das in den Sommerferien. Die gute Nachricht ist jedoch, dass wir nach Hause fahren dürfen und nicht ins Krankenhaus müssen.

Zurück am Campingplatz brechen wir die Zelte ab (welch schlechtes Wortspiel) und fahren nach Hause. Aus den Boxen dröhnt „Rotz ´n´Roll Radio“. Fast so, als wäre nichts gewesen.

#KinderTalente

Kind 1 und 2 schenken mir so unglaublich viele schöne Momente, die ich am liebsten alle festhalten würde. Natürlich gibt es auch schwierigere Momente, aber darüber darf ich nicht schreiben. Dürfte ich schon, mag ich aber gerade nicht. Heute möchte ich über Talente schreiben. Kind 2 streichelt gerne Käfer, während Kind 1 Ameisen zwischen die Finger nehmen und betrachten kann, ohne dass diese Schaden nehmen.

kindertalente finger untersucht und streichelt käfer

Kindertalente: Streicheleinheiten für Käfer

Da Kinder mit vielen Dingen sehr kreativ oder sehr pragmatisch umgehen, schrieb ich eines Donnerstags auf Twitter:

#KinderTalente und Rente

Kindertalente und Rente. Das reimt sich. Und was sich reimt… Solange Kinder nicht als gesellschaftliche Bereicherung, sondern lediglich als zukünftige Rentenzahler betrachtet werden, fragen sich potentielle Eltern, zu was sie denn nun ein Kind gebrauchen könnten. „Gisela, für was ist denn so ein Kind jetzt gut? Was willste denn damit?“ oder so ähnlich. Warum sollte beispielsweise ein gut verdienendes Paar mit doppeltem Einkommen und allen Freiheiten sich auf das Erlebnis Kinder einlassen? Twitter kennt die wahren Gründe:

Warum das alles?

Ich glaube fest daran, dass wir Kinder aus einem positiven Blickwinkel heraus sehen und ihnen viel zutrauen sollten. Und ja, noch mehr glaube ich daran, dass wir Dinge positiv verändern können. Was wäre, wenn einige Politiker_innnen auf einmal schöne Momente mit ihren Kindern twittern würden? Oder diejenigen, die die Profile unserer Politiker_innen pflegen? Wie toll wäre das? Wir alle haben Talente und Kinder haben ganz spezielle, auf die Erwachsene leider nicht mehr zugreifen können. #KinderTalente eben. Ein Tweet von Kerstin brachte meine Gedanken treffend auf den Punkt:

Es gibt selten so wirklich wunderbare Hashtags. #KinderTalente ist es definitiv. <3

#KinderTalente ist Liebe.

#KinderTalente ist kein einmaliger Hashtag, sondern ich werde diesen immer wieder in geeigneten Situationen einsetzen. Und natürlich freue ich mich, wenn ihr den Hashtag auch manchmal bei euren Tweets einsetzt. Ich liebe es, von Talenten anderer Kinder zu lesen. Vielleicht können wir so Kindern zu einer positiveren Wahrnehmung in der Gesellschaft verhelfen. Im Kleinen. Unsere Kinder haben das verdient.

Papa, wie kommt denn das Salz ins Meer?

Wir sind im Urlaub. Am Meer. Mit Sonne. Direkt hinter unserem Ferienhaus springen wir ins Wasser. Ins Meerwasser. Ohne Strand. Man stelle sich das alles wie Venedig vor, nur viel viel kleiner. Die Ferienhäuser stehen direkt am Wasser. Kanäle umfliessen die Häuser. Man ist also immer im Wasser. Irgendwie. Zum Strand fährt man mit den Fahrrädern. Wie überhaupt alle dort Fahrrad fahren. Also alles sehr perfekt für einen entspannten Urlaub mit Kindern. Wo sind wir überhaupt? Ach ja, Italien.

meer in italien adria mittelmeer

Es ist 10 Uhr morgens. Das Frühstück ist gerade leicht verdaut, da stehen Kind 1 und 2 schon zum ersten Sprung des Tages bereit. Ins Wasser. Von der Mauer aus. In so einem Urlaub am Wasser können sich Kinder erstaunlich schnell vollkommen selbständig an,- und ausziehen. Und wieder anziehen. Ohne jegliche Rückfragen.

Wir springen ins Wasser, klettern die Leiter hoch, um kurz darauf wieder zu springen. Irgendwann fragt mich Kind 1, wie das Salz ins Wasser kommt. Und weil Kinder ehrliche Antworten verdienen, gucken wir folgendes Video:

(Direktlink Video)

Spaß vorbei. Kind 1 lacht mich wegen der unwitzigen Finte aus und beharrt auf einer ehrlichen Antwort. Das Salz kommt von den Steinen erwidere ich, was bei Kind 1 zu noch größerem Lachen führt. Klar Papa, das Salz kommt von den Steinen. Eher stehen da 1.000.000 Menschen am Ufer und streuen Salz ins Wasser. Man merkt: Das Kind ist in einem unentschlossenen Alter. Manchmal entlarvt es meinen schlechten Humor sofort, sobald ich ernsthaft antworte, nimmt es mich aber auch nicht ernst. Da chemische Reaktionen nicht gerade mein Steckenpferd sind, beginnen wir das Internet zu befragen. Also die Suchmaschine.

Kind 1 und ich auf chemischer Safari

Wir lernen viel. Von Metallen, die in Steinen wohnen. Von Bächen und Flüssen, deren Wasser die Metalle aus den Steinen herausspült und mitreisst. In winzigen Mengen. Kind 1 hört zum ersten Mal von Chlorgas, das Wasser und vor allem die Metalle im Wasser total dufte findet und sich gerne mit ihnen verbindet. Und weil Kinder im Spiel viel besser lernen, verwandelt sich Kind 1 in Natrium und Kind 2 in das gefährliche Chlorgas. Dann machen wir Musik an und beide tanzen. Immer wenn sie sich umarmen werden sie zu Salz. Wir sind Salz und fliessen ins Meer krakeelen die Kinder, während sie sich nicht mehr loslassen. Kind 2 würde gerne für immer Salz bleiben.

Zurück zu den Flüssen und Bächen. Da alle Flüsse irgendwann ins Meer münden, gelangt so das Salz in die Meere. Zusätzlich finden sich am Grund der Tiefsee die sogenannten schwarzen und weissen Raucher, die ebenfalls zum Salzgehalt des Meerwassers beitragen. Aus ihnen tritt ca. 400 Grad heißes Wasser aus, das vor allem gelöste Salze enthält.

Der Salzgehalt ist von Meer zu Meer unterschiedlich. In der Ostsee, in die sehr viele Flüsse münden und die nur eine enge Verbindung zur Nordsee hat, ist der Salzgehalt sehr gering. Am Mittelmeer, wo durch die höheren Außen-Temperaturen eine große Menge Meerwasser verdampft ist der Salzgehalt um einiges höher. Aus dem aufsteigenden Dampf entstehen irgendwann Wolken, die irgendwo wieder abregnen. Der Wasserkreislauf beginnt von vorne. Hier die gesamte Erklärung als Video:

(Direktlink Video)

So lernen wir bei unserer Recherche auch, dass es in der Natur Wasser ohne Salz gar nicht gibt. Nur Wasser mit sehr geringem Salzgehalt, das wir als Süßwasser bezeichnen. Verblüfft sind wir, dass ein Salzkorn, egal ob das aus dem Salzstreuer oder das aus dem Meer nicht rund, sondern eckig ist. Eckiges Salz, wer hätte das gedacht.

Jetzt tanze ich aber erst mal mit Kind 1 und 2 den Natrium Chlorgas Tanz weiter.

Warum Finger und Zehen im Schwimmbad schrumpelig werden

Letzte Woche besuchte ich mit Kind 1 das Schwimmbad. Nach einiger Zeit bekamen unsere Finger und Fußzehen schrumpelige Haut. Schrumpelig. Richtig schrumpelig. Und weil Kinder ständig auf der Suche nach Erklärungen sind scheut sich Kind 1 auch nicht und fragt betont lässig, warum wir Menschen überhaupt schrumpelige Haut bekommen, wenn wir lange im Wasser sind.

Ich scheue mich nicht, meine Unwissenheit offenzulegen und antworte mit einem lässigen „Keine Ahnung, aber lass uns das rausfinden, wenn wir zu Hause sind.“

2 Stunden später sitzen wir gebannt vor diesem Internet. Bisher ging ich davon aus, dass schrumpelige Finger die Folge vollgesaugter Hornhaut ist. Langer Kontakt zu Wasser weicht die Haut auf und es entstehen die bekannten Furchen, Rillen und Muster.

Nach ein paar Minuten finden wir eine andere Erklärung, die davon ausgeht, dass unser Nervensystem für die Schrumpelhaut verantwortlich ist. Wir bekommen schrumpelige Finger, damit wir im Nassen entweder besser gehen oder besser zugreifen können. Die Funktion der Haut ist dabei ähnlich der eines Autoreifen-Profils. Mehr Grip im Nass. Sehr interessante Erklärung. Kind 1 findet die Erklärung auch vieeeeeel schöner als die Vorstellung, dass aufgesaugte Hornhaut fürs Schrumpeln verantwortlich wäre. Cool.


(Video Direktlink)

Warum zur Hölle ist Gott nicht lustig?

Wir als Eltern sind ein seltsames Volk. Wir machen uns Gedanken. Sehr viele Gedanken. Und manchmal zu viele Gedanken. Von der Wahl des richtigen Kindergartens bis hin zur geeigneten Schule. Wir finden nichts schöner, als die kleinen Menschen zu unterstützen, sie zu begleiten, ihnen Entscheidungen abzunehmen, wo sie selbst noch nicht fähig sind, Entscheidungen zu treffen. Wir handeln rein intuitiv. Wir sehen Kind 1 und 2, sehen ihre herrlich unterschiedlichen und gleich wertvollen Charaktere und überlegen uns, welches zum Beispiel die geeignete Schule sein könnte. Eine Luxusdebatte. Aber eine, die geführt werden musste.

So kam Kind 1 in eine Schule, in der sehr viel wöchentliche Freiarbeit stattfindet. Eine Schule, in der auf die individuellen Bedürfnisse von Kindern stärker eingegangen wird. Eine Schule, in der nur 4 Stunden wöchentlich tatsächlicher Klassenunterricht unter Gleichaltrigen stattfindet. Eine Schule, in der die „Erstis“ bis „Viertis“ einen Großteil der Woche gemeinsam in der Gruppe lernen. Eine Schule, in der die „Erstis“ sehr schnell die Schimpfwörter der „Viertis“ übernehmen. Eine Schule, in der Religion unterrichtet wird. Was, Religion? Die einzige Religion, die ich kenne ist OMG.

In der Grundschule ist das Fach Religion durch das Grundgesetz vorgeschrieben, Ethik hingegen nicht. Mir sind Religionen sehr sehr egal. Mir sind Menschen wichtig. Wenn Menschen in einer Religion Halt finden, dann ist das ok, wenn nicht, ist das ebenso ok. Kein Mensch ist besser oder schlechter. Wir alle sind individuell.

Die Individualität von Kind 1 und ich fahren gemeinsam Bahn. Wie jeden Morgen. Das ist eine hervorragende, qualitativ sehr wertvolle Zeit für uns. Kind 1 ist früh noch ansprechbar und voller Tatendrang. So erfahre ich während unseres morgendlichen Bahnritts von der Grausamkeit der Bibel-Geschichten, die in der Schule vorgelesen und besprochen werden. Aus erster Hand. Aus der Sicht und Wahrnehmung eines Kindes, das sehr sensibel ist und emotionale Stimmungen (ob gut oder schlecht) sofort erfasst. Das ist eine unglaublich große Gabe und kann gleichzeitig eine sehr große Last sein.

„Und weisst du Papa, am Ende waren alle tot. Das ist grausam. Und deswegen mag ich diese Geschichten nicht.“ Punkt. Nun muss ich gestehen, dass ich zwar eine Grundausbildung in Religion habe, aber die Geschichten der Bibel nicht alle im Detail kenne. Doch mich überrascht es nicht, dass Kind 1 der Umgang mit diesen Geschichten schwer fällt, weil: Ein bisschen gemein gibt es nicht. Ein bisschen tot ebenso wenig. Und ein kleines bisschen jemanden erschlagen geht sowieso nicht.

Wir unterhalten uns also über die Bibel. Ein spannendes Thema, genau richtig für eine Bahnfahrt am Morgen. Wir wägen ab, ob die grausamen Texte auf wahren Begebenheiten beruhen oder nicht. Natürlich habe ich keine Antwort darauf. Wer hat die schon? Kind 1 fängt an zu zweifeln. An mir. Denn die Schule, also besser gesagt die Lehrerin weiss doch alles. „Papa, du hast doch gesagt, dass Gott überall wohnt, also in mir, in anderen Menschen, im Wasser, in der U-Bahn, in einer Blume, also überall.“ Ich fühle mich überführt. Religion finde ich nicht so toll, aber Gott als Vorstellung finde ich ok. „Ich will aber nicht, dass Gott in mir wohnt, der ist nämlich überhaupt nicht lustig! Der ist gemein und lacht nie!“

Synapsenkollaps. Gefühlte Minuten fällt mir keine plausible Antwort ein, die die Aussage von Kind 1 widerlegen könnte. Die Bibel ist nicht lustig. An der ein oder anderen Stelle steht zwar das Wort „Freude“, das war es dann aber auch. Und was macht ein Atheist, wenn er herausfinden möchte, ob Gott humorvoll ist? Richtig, er befragt den digitalen Gott und Alleswisser:

„Ok Google, wann hat Gott das letzte Mal gelacht?“
Googles Antwort ist ein Liedtext von Kay One.

„Ok Google, hat Gott Humor?“
Googles Antwort sind witzige Siri Sprüche, Chuck Norris und eine Seite mit „deine Mudda“ Witzen.

Endstation. Wir steigen aus. Das letzte Stück zur Schule legen wir zu Fuß zurück. Als wir uns verabschieden ruft mir Kind 1 ein „Papa, wenn Gott lustig wäre, dann würde er Schweine fliegen lassen und Mundharmonika spielen“ hinterher. Mit einem leiser werdenden „Malst du mir bitte ein Buch, in dem Gott lustig ist?“ mache ich mich auf den Weg. Und während dem Laufen klopft ein dauerhaftes „Warum eigentlich nicht?“ an. Diese Klopfen ist nun seit 4 Wochen in meinem Kopf. Mal sehen.